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    ("Ein bissel banal")


9. Oktober 2000


Profil 41/2000, 9. 10. 2000

Kritik

Ein bissel banal
Wolfgang Ambros' Tom-Waits-Interpretationen hätten ein wunderbares Album ergeben, wenn nicht …

Erstens. Das ist die beste Wolfgang-Ambros-CD seit ungefähr 15 Jahren - vielleicht auch schon seit länger. Zwar hat Ambros unermüdlich, Jahr für Jahr, seine immer noch zahlreichen Fans mit neuem Material versorgt, doch ist ihm dabei seit "Schaffnerlos" kein einziger bemerkenswerter Song mehr gelungen.

Alben mit Titeln wie "Mann und Frau", "Wasserfall", "Voom Voom Vanilla Camera" sind Makulatur des Austropop. Ihre Lieder führen auf oft bemitleidenswerte Weise den Beweis, dass der einfach gestrickte Mainstream-

Dialektsong in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht ist, und das nicht nur, weil Ö3 ihn nicht mehr spielt.

Dieses Problem - denkwürdige Hadern schreiben zu müssen - hat Wolfgang Ambros diesmal elegant umschifft. Die zwölf Songs auf "Nach mir die Sintflut" stammen allesamt von Tom Waits. Ambros hat die Übertragung der Texte ins Deutsche besorgt.

Zweitens. Die Titel sind clever ausgesucht. Selbst der oberflächliche Kenner von Tom Waits wird die meisten der hier versammelten Lieder des alten Rabauken kennen. Es sind eingängige Songs aus Waits' Mittel- und Frühzeit, ein Greatest-Hits-Panorama zwischen "(Looking for) The Heart of Saturday Night" und "Tom Traubert's Blues (Waltzing Mathilda)". Wie gesagt, die Auswahl ist clever im Sinne der Wiedererkennbarkeit. Risiko geht sie keines ein.

Drittens. Die musikalischen Interpretationen der Songs sind matt. Wo Tom Waits mit Saufkumpanen und Avantgarde-Musikern seinen sentimental geerdeten Scheppersound entwickelte, hat Wolfgang Ambros den Arrangeur Christian Kolonovits bemüht. Ausgerechnet Kolonovits! Der sich mit seinen ekelhaften Pop-goes-Classic-Projekten (zuerst mit den Wiener Symphonikern, die Beatles-Lieder für die Fahrstühle dieser Welt aufnahmen, zuletzt mit den Berliner Philharmonikern, die mit den schrecklichen Scorpions noch schrecklichere Konzerte bei der Expo spielten) für das Fegefeuer des Rock'n'Roll qualifiziert hat. Seine Waits-Arrangements klingen zwar nicht ganz so schlimm, wie zu befürchten gewesen wäre, doch noch immer schlimm genug: Wo weniger gereicht hätte, fällt

Kolonovits ganz bestimmt noch ein Geigenchorus ein oder eine fette Synthi-Polsterung. Er vertraut weder den großartigen Melodien von Tom Waits noch der Stimme seines Freundes Wolfgang. Fehler.

Viertens. Nein, ein großer Sänger war Wolfgang Ambros nie. "Wer ist das? Kermit the frog?", ätzte der englische Starkritiker Tony Parsons vor vielen Jahren, als ihm ein Band mit Ambros-Songs in die Hände gefallen war. Doch die Stimme von Wolfgang Ambros hat Charakter, manchmal Charme oder sogar Anmut, so verdrückt, so verknödelt sie auch daherkommen mag. Das sorgt auf diesem Album immer wieder für gute Momente - etwa auf "Es is vorbei", der Ambros'schen Fassung von "Ruby's Arms". Dann hört sich ein großer Song aus der weiten Welt an wie ein Lied von Wolfgang Ambros, dessen Melodie man schon einmal irgendwo gehört zu haben glaubt. Das sind die gelungenen Momente, für die sich die Produktion dieses Albums gelohnt hat. Ansonsten widersteht Ambros leider viel zu selten der Versuchung, ein bisschen wie Tom Waits persönlich klingen zu wollen - und als Tom Waits ist Tom Waits persönlich schon deutlich besser.

Fünftens. Die Übersetzungen/ Übertragungen der Texte sind, um es freundlich zu sagen, von höchst wechselhafter Qualität. Nur selten gelingt Ambros eine so stimmige Übersetzung eines Waits-Refrains wie bei "In the Neighborhood", was als "Durt bin i daham" sehr gut funktioniert. Nur äußerst vereinzelt - etwa in seiner Version von "Big in Japan"/"Groß in Kagran" - wachsen einzelne Ambros-Strophen über den Rang einer einigermaßen verständlichen Waits-Übersetzung hinaus und behaupten sich als eigenständig Wienerisch: "I hob die Semmel / oba ka Wuaschd / i hob des Bier / oba kan Duaschd".

Meistens jedoch scheitert Ambros hemdsärmlig an der Adaption Waits'scher Bilder aus der amerikanischen Cinemascope-Welt (was schmerzlich in Erinnerung ruft, dass es außer Ostbahn-Kurti-Texter Günter Brödl wirklich niemanden gibt, der die Verwienerisierung der großen amerikanischen Popthemen draufhat). Dann wird's ein bissel banal, jedenfalls banaler, als es sein müsste.

Sechstens. Es ist, wie gesagt, das beste Ambros-Album seit fünfzehn Jahren. Schade. Es hätte ein wirklich gutes werden können.

Christian Seiler

© 2000 Profil

Last Updated: 18. Oktober 2000

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