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    (100 Österreicher des Jahrhunderts)


22. Februar 1999


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Profil 08/1999, 22. 2. 1999, Seite 60, von KURT OSTBAHN

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Es gibt ein kleines, feines Lied vom Hermann Leopoldi, das mir ganz besonders gefällt. Die Geschichte handelt, um es auf gut deutsch zu sagen, von einem Ladies´ Man, einem Herrn, der auf die Damenwelt wirkt. Solche Herren sind mir sympathisch, und deswegen sing´ ich das Lied gern selbst.

"Wie ich da neulich ´rumspazier´ / da war mir fad, drum denk ich mir: / Ich kauf mir für´s Apollo eine Karten. / Da seh ich eine, blond und groß / auch die Figur war tadellos."

Der Herr Sänger spricht die Dame an, diese reagiert angeregt, und es folgt der unvergeßliche Refrain: "In der Barnabitengassen / hat sie sich noch bitten lassen. / Bis zum Michaelerplatz / war alles für die Katz. / Erst als ich sie frag am Graben: / ´Könnt i net a Busserl haben?´, / sagt sie: ´Auf der Fischerstieg´n / wer´ns vielleicht ans krieg´n.´"

Das Lied hat eine Haltung. Der Entertainer wirft sieh in die Rolle des Flaneurs. Das paßt 1. zum Entertainer und 2. zum Hermann Leopoldi.

leopoldi2.jpg (30654 Byte) Der Sprachwitz, der dem Text von Rudolf Skutajan innewohnt, findet in der Melodie seine geniale Entsprechung. Leicht und rhythmisch, volkstümlich, aber doch kunstfertig, vergnügt und schwebend, aber gleichzeitig unendlich raffiniert. Ich singe "In der Barnabitengassen" gern, wenn ich zum Beispiel bei Benefizveranstaltungen auftrete und keine Band dabeihab´: Stell´ mich ans Mikrofon und lass´ das Lied los, das viele junge Leute im Publikum noch nie gehört haben. Trotzdem glauben sie, daß sie es kennen: Diese Kunst beherrschte der Hermann Leopoldi nämlich er hat das Unbewußte, das Vorhandene an die Oberfläche komponiert.

Es ist dann häufig vorgekommen, daß sich ein Pianist ans Gerät gesetzt hat, um mich bei der "Barnabitengassen" zu begleiten. Die meisten sind daran gescheitert, weil die Harmonien so kompliziert sind. Das zeigt, mit welcher Ernsthaftigkeit sich dieser Urwiener Musikant der Fröhlichkeit angenähert hat.

Er war ein jüdischer Wiener - er kam 1888 als Hermann Kohl zur Welt - und stammt aus der großen Tradition, der auch die Kabarettisten Fritz Grünbaum und Karl Farkas angehören. Sein eigenes, mit dem Conférencier Fritz Wesenthal eröffnetes Kabarett "L.W." war das beste der zwanziger Jahre.

Hermann Leopoldi war bereits als 16jähriger Bub Berufsmusikant. Er ließ keine Gelegenheit aus, sich hinter einem Klavier niederzulassen und schweißtreibend aufzuspielen. Seine Begabung war - wie bei allen besten Musikern, die ich kenne - gleichzeitig seine größte Leidenschaft. Er war ein Bühnentier, sein bester Interpret, ein Star.

1937 erhielt Hermann Leopoldi das Silberne, 1958 das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich. Dazwischen war er im KZ, wo er den "Buchenwälder-Marsch" komponierte: "Oh Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen / weil du mein Schicksal bist. / Wer dich verließ, der kann es erst ermessen / wie wundervoll die Freiheit ist."

Er komponierte also im KZ - und, absurd genug, auch fürs KZ - etwas Hochrevolutionäres, und der Lagerkommandant merkte es nicht, weil ihm die Melodie so gut gefiel. Das erzählt das Wesentliche über das Genie von Österreichs großem Unterhaltungsmusiker. Nach neun Monaten wurde er aus dem KZ entlassen, floh nach New York, machte dort, so gut es ging, Karriere (am besten gefällt mir Hermann Leopoldis Anglifizierung seines Schlagers "Der stille Zecher" als "The Quiet Drinker"), kehrte aber schon 1947 nach Wien zurück und wurde hier triumphal empfangen, schrieb Schlager um Schlager, Hit um Hit. Er hat mit Witz und Verve die österreichische Unterhaltungskultur zum Besseren verändert. Mit seiner langjährigen Gefährtin und Bühnenpartnerin Helly Möslein (der Ladies´ Man dichtete: "Sah ein Knab die Möslein stehn") lebte er bis zu seinem Tod 1959 in Wien.

Folgendes noch wegen dem Busserl aus der "Barnabitengassen". Da wußte der Dichter schon, wie er möglichst rasch ans Ziel kommt: "Daß wir schneller weiter kommen, / hab´n wir uns ein Taxi g´nommen. / Und der ist dann g´fahrn, daß raucht, / wir hab´n ka Stieg´n mehr braucht".

Kurt Ostbahn, 50, ist Rocksänger und Autor

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© 1999 Profil

Last Updated:   13. August 1999

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