Libro Journal
    ("Der Nächste bitte")


April 1994


Libro Journal 4/94, Seite 8f., Titelstory von Thomas Weninger

DER NÄCHSTE BITTE
Dr. Kurt Ostbahn ordiniert wieder

Was einmal eine Kunstfigur war, die ein findiger Journalist zum Jux erfunden hat, ist heute ein österreichisches Nationalheiligtum. Mit Recht, wohlgemerkt. Der Dr. Kurt, der ist ein ganz besonders Guter. Und weil er es gar so gut mit uns meint, gibt es seine neueste Audio-Therapie gleich auf zwei Silberscheiben. Thomas Weninger hat sich behandeln lassen.

Im Volksmund gilt Dr. Kurt Ostbahn als der "Springsteen aus Simmering". Willst Du diesem Ruf gerecht werden, indem Du, ähnlich wie vor nicht allzu langer Zeit der "Boss", zwei Alben auf einem Schlag veröffentlichst?

Primär ist uns ja stets das Konzert wichtiger. Unser Medikament haben wir dabei schon immer in diesen zwei Darbietungsformen verabreicht - als laute, heftige Elektrotherapie oder als ausg´stecktes Naturkur-Konzert, bei dem wir weitestgehend sitzend unserer Tätigkeit nachgehen, leiser und mit akustischen Instrumenten. Diese beiden Darbietungsformen wollten wir auch auf Tonträger beibehalten - deshalb zwei an der Zahl.

In welcher Reihenfolge soll der Patient die beiden Medikamente einnehmen?

Die Naturkur "Trost & Rat" ist sozusagen als Einstiegsdroge anzusehen. Ihrem Namen entsprechend spendet sie dem geschwächten Organismus Trost und gibt Rat. Wenn er das verkraftet hat, kann man ihm zusätzliche Stimulanz durch "Saft & Kraft" geben.

Hat man womöglich bereits von wundersamen Heilungen erfahren?

Es gibt mehrere Hundertschaften von begeisterten, geheilten, gläubigen Damen und Herren, die uns von Konzert zu Konzert folgen, weil es ihnen hinterher einfach um soviel besser geht. Ich bin froh, daß wir diese armen Menschen nun endlich auch zu Hause betreuen können.

Wie sieht es mit der grenzüberschreitenden Wirkung dieser beiden Therapieformen aus?

Nur wer´s versteht, hat was davon. Österreicher, Bayern, Südtiroler und ähnliche sprechen erfahrungsgemäß am besten auf unser Medikament an und eilen auch in großer Zahl herbei, um geheilt zu werden.

Zuletzt hast Du angedeutet, daß diese Live-Werke quasi das musikalische Vermächtnis von Dr. Ostbahn und der Chefpartie sein könnte.

Das war einer unserer vielen, geniale Marketingtricks, die wir uns von unseren lieben Kollegen jenseits des großen Teichs abgepaust haben. Auf diese Weise haben wir gleich zweimal einen großen Aufschrei in dem Medien gehabt. Einmal, als wir unseren Rücktritt bekanntgegeben haben, und einmal, als wir diesen widerrufen haben. Funktioniert blendend. Traumhaft, sag ich Dir!

Glaubst Du, daß das Ostbahn-Kurti-Konzept irgendwann einmal erschöpft sein wird?

Keine Ahnung. Wir haben noch nie etwas geplant und wollen es auch in Zukunft so beibehalten. Wir beobachten, was da mit uns so passiert und nehmen es billigend bis amüsiert zur Kenntnis. Wir hängen nicht wie die Kletten an diesem Schmäh. Wir haben vorher etwas anderes gemacht und werden auch danach etwas anderes machen. Oder aber, wir bleiben einfach dabei, wenn´s paßt.

Es scheint, daß der Willy Resetarits mit dem Ostbahn-Kurti fast schon eins geworden ist. Wie lebt es sich denn so als "Schizophrener"?

Um die Schizophrenie zu vermeiden, habe ich die beiden Persönlichkeiten verschmelzen lassen. Beide Teile dieses schizophrenen Charakters haben irgendwann - ich weiß nicht mehr, wann das war - beschlossen: Wir werden jetzt einer, und dadurch haben wir uns selbst geheilt.

Verschiedene Kritiker haben Dir im Laufe der Jahre aufgrund der zahlreichen Coverversionen das Image des "genialen Abkupferers" verpaßt. Wie behagt Dir das denn so?

Kompletter Blödsinn. Wir spielen Rockmusik. Und weil Rockmusik eine traditionelle Musik ist, gibt es da Klassiker, die schon immer gespielt wurden. Beispiel "I Hear You Knocking". Wie oft haben sie mir wegen dieser Nummer ans Bein gepinkelt. So nach dem Motto: Jetzt fladert er auch noch dem Dave Edmunds einen Hit und kassiert mächtig damit ab. Nur die wenigsten wissen offenbar, daß auch der Dave Edmunds diese Nummer schon gefladert hat.

Zurück zur Medizin und Heilkunde: bei so viel heilender Wirkung müßte doch eigentlich die Krankenkasse für die Kosten der beiden neuen Medikamente aufkommen, oder?

Möchte man meinen, ist aber leider nicht so. Die Verhandlungen mit den Herrschaften der Gebietskrankenkasse sind endgültig gescheitert. Die Patienten müssen für die chefarztgenehmigten Präparate selber blechen. Eine Sauerei ist das.

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DIE GESCHICHTE VON HERRN OSTBAHN

Eigentlich war der Kurt Ostbahn ja eine Figur vom Theater. Ein Tschecherant, der den Rock & Roll im Blut hat. Der Musikjournalist Günter Brödl hat ihn für sein Theaterstück "Wem gehört der Rock & Roll?" anno 1978 erfunden.

Verkörpert wurde der Kurt damals von Erich Götzinger, der dann TV-Sprecher geworden ist. Der Kurt ließ den Brödl nicht mehr los. Der Brödl schrieb haufenweise Texte, die der Ostbahn-Kurti singen hätte können, wenn es ihn denn gegeben hätte. Der Brödl inszenierte jedenfalls einen Schmäh nach dem anderen, um vorzutäuschen, daß es den Kurt wirklich gibt. Er fingierte eine Biographie mit viel "Streetcredibility", wie man halt so sagt: der Kurt ist demnach geborener Simmeringer, ein arbeitsloser Elektroinstallateur.

Dann inserierte Brödl Suchanzeigen nach vergriffenen Ostbahn-Kurti-Platten und mietete am 1. April 1984 [sic!] die "Szene Wien", plakatierte ein Konzert mit "Ostbahn-Kurti und die Chefpartie" und hängte das Schild "Ausverkauft" an die verschlossene Tür. Ein Spaß aber auch. Wie der Willi Resetarits, der Sänger der Kabarett-Gruppe "Schmetterlinge", zum Kurti wurde, darüber streiten sich die Geister. Fest steht, daß der Kurt und die Chefpartie dann wirklich eine Platte gemacht haben und dann noch eine und ...

Heute, sagt man, sind der Kurt und der Willi richtige Millionäre. Nicht schlecht für einen Elektro-Installateur, oder zwei.

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Last Updated:   05. April 1999

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