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    ("Bruce Springsteen war in Wien der Boß")


26. April 1999


Source: Kurier, 26.04.1999, von Guido Tartarotti

Bruce Springsteen war in Wien der Boß

Mit einem der besten Konzerte, das je in der Wiener Stadthalle abgehalten wurde, begeisterten Bruce Springsteen und seine "E Street Band" am Samstag rund 15.000 zahlende Besucher.

Bruce Springsteen war in Wien der Boß

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"Ich habe die Zukunft des Rock 'n' Roll gesehen."
Der Journalist Jon Landau über den jungen Bruce Springsteen.

Wolfgang Ambros ist der österreichische Bruce Springsteen. Ist Springsteen der amerikanische Wolfgang Ambros? Kurt Ostbahn ist Österreichs Antwort auf Bruce Springsteen. Ist Springsteen Amerikas Frage nach Kurt Ostbahn?

Was kann man über ein Konzert sagen, das mehr Jubel bekommt, als Alanis Morisette je hören wird - allerdings schon vor dem ersten Ton, bevor überhaupt ein Musiker die Bühne betreten hat?

Bruce Springsteens erste Leistung am Samstag bestand darin, daß er es in der Wiener Stadthalle dunkel werden ließ, und der akustische Dank des Publikums fönte einem den Scheitel.

Was so beginnt, kann nicht scheitern. Springsteen entwirft ein erschütternd makelloses, nie angenehmes Konzert, dessen Höhepunkte - etwa eine verwirrend verdunkelte Version von "The River" oder das unwiderstehlich unter Strom gestellte "Youngstown" oder jeder andere Song des Abends - einem das Herz in die Hose zwang.

"Rock 'n' Roll ist tot" Lenny Kravitz

Warum geht man in ein Rockkonzert? Weil man keine Karten für die Staatsoper bekommen hat? Weil man sich gerne die Ohren ausleiern läßt, damit man seine lärmenden Nachbarn um sechs Uhr morgens nicht hört? Weil man in der Wiener Stadthalle so anregende Gespräche über Adorno führen kann?

Vielleicht, weil man manchmal das Gefühl haben will, etwas Großes zu erleben. Etwas, das stärker ist als eitrige Angina, intrigante Kollegen und Haider in Kärnten. Dieses Konzert ist viel stärker. Ist es auch stärker als der Krieg?

Das weiß ich nicht. Vom Krieg weiß ich nichts. Viele von Springsteens Songs handeln von Flucht, aus der Kleinstadt. Nicht aus der, in der wir wohnen.

Aus der, die in uns wohnt. Der Highway ist bei ihm nie Metapher für fröhliches Gasgeben. Sondern für das heroische, ungezielte Verschießen der eigenen Existenz. "Ich erwischte die falsche Abzweigung und fuhr einfach weiter" ("Hungry Heart").

"Ich möchte mit dir sterben, Wendy, auf der Straße heute nacht, in einem ewigen Kuß" ("Born To Run"). Beide Songs, in ihrer hinterhältigen Scheinfröhlichkeit, saugten die mit (angeblich) 15.000 Besuchern und ihrem Schmerz gefüllte Stadthalle einfach auf.

Die falsche Abzweigung in den ewigen, zweidreiviertel Stunden dauernden Kuß eines Rockkonzerts: Besser als nichts.

"Rock 'n' Roll kann niemals sterben."
Neil Young 

Nun noch zum Mißverständnis, der elektrifizierte Bruce sei eine Art Schändung des akustischen Springsteen, vor dem gewarnt werden müsse. Abgesehen von dem absurden Unterfangen, vor Kunst zu warnen: Da ist eine elegantest rollende Band an der Arbeit, die das kostbare Songmaterial mit größter Sorgfalt verwaltet.

Hier werden Abgründe nicht zugedröhnt, sondern mit einem Gleichmut freigelegt, für die in den Konzerthallen derzeit niemand sonst die Nerven hat. Die E Street Band in dieser Form hat im Rockgenre derzeit keine Konkurrenz.

Neun Musiker stehen auf der Bühne, und dennoch würgt einem die Klangdichte nie den Atem ab. Bruce Springsteen, übrigens besser bei Stimme als manche Feuerwehrsirene, spielt fettfreie Gitarrensoli und eine niemals schwatzhafte Mundharmonika.

Gitarrist Steve Van Zandt gibt den Bandleader, sein Kollege Nils Lofgren läßt seine Gitarre klagen, schimpfen, schmeicheln. Das übertrainierte Saxophon von Clarence Clemons war ohnehin stets der pure Luxus. Ich habe die Vergangenheit des Rock 'n' Roll gesehen.

Akustische Sekundärliteratur: Bruce Springsteen: "Live 1975-1985"; "The Ghost Of Tom Joad". Bob Dylan: "Time Out Of Mind". Alles von Hank Williams und Leadbelly. Ja, und auch so manche Platte von W. Ambros und K. Ostbahn.


© 1999  Kurier

Last Updated: 28.04.99

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